Ihr und wir in Jahr vier!

Klassenerhalt für den VfL Bochum! Der dritte. Oder wie viele Bochumer sagen: „Mit dem Aufstieg das vierte Wunder!“ Der Weg dorthin hatte viele Höhen, viele Tiefen und hätte am Ende spannender kaum sein können.

Die Saison begann denkbar schlecht. Unter anderem hagelte es sofort am ersten Spieltag ein 0:5 in Stuttgart und am fünften Spieltag ein 0:7 in München. Da war auch das 1:1 gegen den BVB nur ein kleiner Lichtblick. Es folgte die erste Systemumstellung der Saison aber die gefühlt zwanzigste in nicht ganz einem Jahr unter Trainer Thomas Letsch. Sein bevorzugtes 3-5-2 System will beim VfL einfach nicht funktionieren. Und das obwohl der gesamte Kader in der Sommerpause darauf abgestimmt wurde.

Der erste Sieg kam dann endlich am 10. Spieltag beim Aufsteiger in Darmstadt. Die Phase danach hätte dann wiederum besser kaum laufen können. Heimsiege gegen Wolfsburg, Union Berlin und Stuttgart folgten. Es lief so gut, dass auch das 0:4 in Leverkusen der guten Stimmung an der Castroper Straße keinen Abbruch tat. Der absolute Höhepunkt war dann der 3:2 Sieg gegen die Bayern, wo der VfL so gut spielte, dass man nun zum erweiterten Kreis der Europapokal-Anwärter zählte. Nur vier Punkte Rückstand waren es damals am 22. Spieltag auf den siebten Tabellenplatz. Man spielte teilweise sogar dementsprechend gut, dass das Gerede um Europa nicht völlig aus der Luft gegriffen und auch nicht unverdient war.

Doch dann machte der VfL, naja VfL-Sachen. Man verspielte diesen Vorsprung auf die Abstiegsplätze und fand sich nach teilweise desaströsen und nicht ansatzweise bundesligareifen Leistungen nur acht Spiele später auf dem Relegationsrang wieder. Zwischendurch musste dann auch der Trainer gehen. Die Suche nach einem Nachfolger lief alles andere als professionell. Zu diesem Zeitpunkt musste man als VfL-Fan sogar berechtigter Weise Angst haben, dass die fünf Punkte Vorsprung auf Köln (Platz 17) auch noch verspielt werden.

Doch dann die (vorübergehende) Erlösung. Gegen Hoffenheim und in Berlin konnte man zwei extrem wichtige Siege einfahren. Jetzt war der Klassenerhalt zum greifen nah. Nur einen Punkt musste man aus zwei Spielen noch holen. Und die Konkurrenz aus Berlin und Mainz musste in beiden Spielen punkten um den VfL noch einholen zu können. Aber wir sprechen hier immer noch vom VfL Bochum. Natürlich kann man auch das noch aus der Hand geben. So wie man es schon die gesamte Saison über tat. Insgesamt fast dreißig Punkte hatte man nach Führung im Laufe der Saison verspielt. Neun davon sogar in der Nachspielzeit. Über 75 Minuten Unterzahl gegen Leverkusen und ein katastrophaler Auftritt in Bremen bescherten aus zwei Spielen null Punkte und 1:9 Tore. Da die Konkurrenz natürlich punktete, musste man es über die Relegation richten.

Und diese hatte man mit dem Drama um Manuel Riemann gefühlt schon verloren bevor das Hinspiel überhaupt angepfiffen wurde. Der Gegner war Fortuna Düsseldorf. Aber der größte Gegner war man scheinbar selbst. Auf einen etwas wackligen Beginn folgte im Hinspiel in der Anfangsphase dann doch eine durchaus ordentliche Leistung. Man hatte die Fortuna da, wo man sie haben wollte. In den eigenen Strafraum zurückgedrängt. Doch ein Eigentor nach einem Eckball brachte den Rückstand und man zerbrach mal wieder in Einzelteile. Am Ende ging man im Heimspiel gegen einen Zweitligisten mit 0:3 baden. Es hätte mit etwas Pech sogar noch höher ausfallen können.

Über Interviews wie das von Keven Schlotterbeck konnte man nur schmunzeln, als er nach dem Hinspiel eine Kampfansage für das Rückspiel in Richtung der vor dem Gästeblock feiernden Düsseldorfer schickte. Davon hatte man in der Endphase der Saison vom VfL schon so viele gehört, dass man sich ernsthaft fragen musste, ob die Spieler selber glauben, was sie da gerade sagen. Im Kopf plante ich schon einen Zweitliga-Kader und redete mir die durchaus attraktiven Gegner in der besten zweiten Liga der Welt schön. HSV, Schalke, Kaiserslautern? Nur drei der vielen klangvolle Namen aus Liga 2. Den Artikel „Mit Pauken und Trompeten in die zweite Liga“ hatte ich auch schon fertig. Ich musste nur noch auf „Veröffentlichen“ klicken.

Doch je näher das Rückspiel kam, desto mehr glaubte ich an die Chance, die eigentlich gar nicht mehr da war. Schließlich brauchte man nur ein Tor um den Zweitligisten zumindest ans Nachdenken zu bringen. Das Spiel sollte dann in die Geschichtsbücher eingehen. Man ließ von Anfang an keinen Zweifel aufkommen, wer hier der Bundesligist ist und es auch bleiben will. Der VfL spielte für seine Verhältnisse richtig gut Fußball. Natürlich musste man drei Tore aufholen und dementsprechend spielen. Jeder Konter kann dann natürlich nicht verhindert werden. Aber viel ließ man hinten trotzdem nicht zu. Vor der Pause fiel dann das 1:0 durch Hofmann nach Freistoß-Vorlage des überragend aufspielenden Kevin Stöger. Plötzlich wurde aus Hoffnung auf den Klassenerhalt der Glaube daran, dass es tatsächlich noch klappen kann.

Innerhalb von vier Minuten war das Spiel dann durch den Kopfball von Hofmann (wieder Vorlage Stöger) und das Elfmetertor von Stöger ausgeglichen. Takuma Asano konnte es sogar fast komplett auf den Kopf stellen, doch Florian Kastenmeier hatte mit einer überragenden Parade etwas dagegen. Zum Schluss wollte keiner mehr großes Risiko eingehen und das Spiel verlieren. Auch nicht in der Verlängerung. Eine Doppelchance der Fortuna musste der VfL noch überstehen, dann kam es, wie es kommen musste. Elfmeterschießen! Der Gewinner ist Bundesligist, der Verlierer Zweitligist! Viel mehr Dramatik geht nicht.

Mein Puls und Blutdruck waren zu diesem Zeitpunkt wahrscheinlich nicht mehr messbar! Den ersten Elfer der Düsseldorfer von Andre Hoffmann konnte Andi Luthe, der nach dem Spiel seine Karriere beendete sofort halten. Die nächsten vier Elfmeter saßen. Für den VfL trafen Paciencia und Bero, für Fortuna waren es Johannesson und Engelhardt, ehe Kastenmeier den Elfer von Masovic parieren und das Spiel wieder ausgleichen konnte. 2:2 nach jeweils drei Elfmetern. Die letzten beiden Elfmeter für beide Teams wurden alle verwandelt. Asano, Oberdorf, Stöger und Tzolis trafen für ihre Teams. Also ging es auch im Elfmeterschießen in die Verlängerung.

Keven Schlotterbeck trat an. Und wie! Nagelte das Leder in die linke obere Torecke. Niemiec glich jedoch wieder aus. Also mussten zwei weitere Schützen ran. Wittek verwandelte für den VfL. Der Japaner Takashi Uchino muss nun treffen. Doch wie sagt man so schön? „Den Ball suchen sie heute noch“. Er jagte den Ball über das Tor in den Düsseldorfer Nachthimmel!

Wollt ihr erwachsene Männer weinen sehen wie kleine Kinder? Gibt es Frauen, die glauben Männer hätten keine Emotionen? Schaut mit ihnen Fußball! Pure Freude, Erleichterung? Was es genau war weiß ich bis heute nicht! Was ich weiß ist, dass meine Freundin Christina und ich uns eine gefühlte Ewigkeit in den Armen lagen, dass die Nachbarn ein paar Tage später fragten was los war (auch wenn sie es natürlich ahnten/wussten), dass mein Puls locker zwei Stunden gebraucht hat, um auf ein Level zurückzukehren, sodass es zum schlafen gehen ausreichte und dass ich am darauffolgenden Tag mit Trikot im Büro saß.

Was die nächste Saison bringt bleibt natürlich abzuwarten. Aller Voraussicht nach wird diese mal wieder noch schwerer als die letzte. Mit Stöger, Osterhage, Asano und Schlotterbeck verlassen absolute Pfeiler der Mannschaft den Verein. Ebenso werden wohl Manuel Riemann und Bernardo gehen. Teure Neuzugänge kann man sich nicht leisten. Immerhin verlief die Trainersuche gut und man konnte mit Peter Zeidler in meinen Augen die optimale Lösung für sich gewinnen. Aber egal. Als Bochum-Fan träumt man zwar manchmal wilde Sachen, jedoch ist im Endeffekt jedes weitere Jahr Bundesliga ein Geschenk. Und darüber werde ich mich freuen. Egal, ob es am Ende runter gehen sollte oder der erneute Klassenerhalt gefeiert werden kann.

Aber erstmal wird jetzt die Nationalelf angefeuert! Ein runderneuertes, sympathisches Team, das meiner Meinung nach mit ein bisschen Glück sehr weit bringen kann. 72, 80, 96, 24? Warum eigentlich nicht?!

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